Was unser Futter futtert

Gentechnisch veränderten Lebensmitteln stehen die Österreicher äußerst kritisch gegenüber. Indirekt landen solche Produkte aber schon auf unseren Tellern. Und das ausgerechnet, wenn es Schnitzel gibt.

Gentechnik - heißes Thema

Schon allein das Wort „Gentechnik“ lässt die Gemüter hierzulande hochkochen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn im Labor entwickelte Pflanzen auf österreichischen Feldern wachsen. Ausgeschlossen ist das nicht (mehr). In Europa gedeiht ein Gen-Mais bereits in Spanien und Portugal. Bei uns ist der Widerstand dagegen noch groß. Werden die Österreicherinnen und Österreicher danach gefragt, ist die Antwort klar: Gen-Speisen werden sicher nicht an den heimischen Esstischen serviert. Ist aber das Schnitzel beim Wirt, die Wurst im Laden wirklich gentechnikfrei? Die Tiroler Tageszeitung ist diesen Fragen nachgegangen – und hat herausgefunden: Die Realität sieht etwas anders aus.

Kurz zum aktuellen Stand: „Grüne Gentechnik“ ist in Europa streng reguliert. Wissenschaftler fordern eine Liberalisierung, weil sie dann einfacher Feldversuche durchführen könnten. Kritiker haben eine ganze Reihe von Argumenten dagegen. Fakt ist: In der Europäischen Union wird aktuell an neuen Regeln zu gentechnisch veränderten Pflanzen gearbeitet. Die EU-Kommission will ihre Pläne dazu voraussichtlich am Mittwoch vorlegen.

Was bedeutet eigentlich „Grüne Gentechnik“? Das „Grün“ steht für die Farbe der Pflanzen, es bedeutet nicht, dass diese Art der Gentechnik umweltfreundlich ist. So gibt es etwa auch „Rote Gentechnik“ im Medizinbereich – Insulin und Impfstoffe werden gentechnisch hergestellt. „Rot“ steht für die Farbe des Blutes.

Gentechnik – weit verbreitet

In anderen Teilen der Welt ist Gentechnik schon seit Jahrzehnten im Einsatz. Verwendet wird sie bei Baumwolle, Mais, Raps und mehr. Vor allem auf dem amerikanischen Kontinent werden großflächig genetische veränderte Sojabohnen angebaut. „Hier haben sich die Glyphosat-resistenten Sojabohnen-Sorten enorm weit verbreitet. Sie dominieren inzwischen den Anbau in Nord- und Südamerika“, erklärt Hermann Bürstmayr, Leiter des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Warum tun die Landwirte das? „Es ist eine Produktionsvereinfachung für die Bauern. Damit bekommen sie mit einem Herbizid und wahrscheinlich in den meisten Fällen mit einer Spritzung das Unkrautproblem auf den Feldern in den Griff.“

Hermann Bürstmayr, Leiter des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Boku in Wien

Hermann Bürstmayr, Leiter des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Boku in Wien

Eine „Lösung bis in die Ewigkeit“ sei das nicht, konstatiert der Fachmann. „Dort, wo über mehrere Jahre mit diesem Herbizid gearbeitet wurde, sieht man, dass sich beim Unkraut Resistenzen bilden können.“ Trotzdem wird in Brasilien, Argentinien und den USA Großteils auf Gen-Soja gesetzt. „Und wir importieren das.“

Photo by Shelley Pauls on Unsplash

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„Das essen wir in Österreich ja nicht direkt, sondern wir geben es zuerst einmal den Tieren als Futter und dann essen wir die tierischen Produkte.“
Hermann Bürstmayer über gentechnisch verändertes Soja

Gen-Soja in Futtermitteln

Was macht man hierzulande damit? „Das genetisch veränderte Soja wird in der Tierfütterung verwendet. Nicht als Sojabohne, so wie sie auf dem Feld gewachsen ist, sondern als extrahiertes Sojaschrot“, erklärt Bürstmayr. Gentechnisch verändertes Soja „essen wir in Österreich ja nicht direkt, sondern wir geben es zuerst einmal den Tieren als Futter und dann essen wir die tierischen Produkte“.

Die Sojabohne hat einen hohen Ölgehalt. Das Öl wird herausgelöst und etwa als Speiseöl verwendet. Übrig bleibt unter anderem der eiweißreiche Sojaschrot, das Futtermitteln beigemischt wird.

Der europäische Verein „Donau Soja“ mit Sitz in Wien setzt sich für die Förderung einer europäischen und nachhaltigen Sojaproduktion ein. Gefragt nach den Importzahlen, heißt es: „Die genauen Mengen lassen sich nur schätzen, da die Handelsstatistiken keine Differenzierung zwischen GVO und GVO-frei machen.“ Die Abkürzung GVO bedeutet „Gentechnisch veränderte Organismen“. Laut „Donau Soja“ werde in Nord- und Südamerika auf mehr als 95 Prozent der Felder Gen-Soja angebaut. Jährlich würden rund 500.000 Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot nach Österreich importiert – davon seien schätzungsweise 330.000 Tonnen gentechnisch verändertes Soja, so der Verein. Der Plan ist den Einkauf aus dem EU-Ausland zu reduzieren. Die österreichische Eiweißstrategie sieht eine Halbierung der Soja-Importe bis 2030 vor.

„Das in Österreich verfütterte Gentechnik-Soja führt in den Herkunftsländern, wie (primär) Argentinien und Brasilien, zu massiven Umweltproblemen: gesteigerter Pestizideinsatz, Schädigung von Nützlingen, Verdrängung traditioneller Pflanzenarten und damit die Gefährdung der Artenvielfalt.“
Greenpeace
green grass field under blue sky during daytime

Photo by Teddy Charti on Unsplash

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Keine Kennzeichnungspflicht

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat weitere Zahlen und gleichzeitig Warnungen parat. „Das in Österreich verfütterte Gentechnik-Soja führt in den Herkunftsländern, wie (primär) Argentinien und Brasilien, zu massiven Umweltproblemen: gesteigerter Pestizideinsatz, Schädigung von Nützlingen, Verdrängung traditioneller Pflanzenarten und damit die Gefährdung der Artenvielfalt. 82% der Sojabohnenernte wird von drei Ländern abgedeckt: Brasilien 39%, USA 30% und Argentinien 13%.“

Laut EU-Recht müssten alle Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen, wie Soja, hergestellt wurden, entsprechend gekennzeichnet sein, sagt Greenpeace. „In den österreichischen Supermarktregalen finden sich derzeit keine solchen Produkte, denn die Importe dienen als Futter für (Mast-)Schweine sowie zu einem geringeren Teil auch für Mastrinder. Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht. Ausschließlich bei Bio-Produkten darf kein gentechnisch verändertes Soja verfüttert werden. Außerdem haben sich die gesamte österreichische Milchwirtschaft sowie Österreichs gesamte Geflügel-Branche (Fleisch sowie Eier) geschlossen darauf geeinigt, auf gentechnisch veränderte Futtermittel gänzlich zu verzichten.“

Experte Bürstmayr sieht das so: „Alles, was als gentechnikfrei deklariert ist, ist gentechnikfrei. Und alles, was nicht deklariert ist, ist zu einem sehr hohen Prozentsatz GVO-Soja.“ Auch er weist auf die Problematik der Monokulturen hin. Man dürfe nicht auf Biodiversität verzichten, betont der Boku-Professor. „Die Fruchtfolge muss eingehalten werden. Ein Schaden für die Biodiversität ist sicher, wenn man großflächig Urwald abholzt und dann auf hunderttausenden Hektar eine Kulturpflanze Sojabohne anbaut“, befindet der Wissenschaftler . „Je mehr Diversität auf den Feldern herrscht, desto besser ist man vor unerwarteten Ereignissen abgesichert.“

Keine Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber...

„Die Futtermittelmärkte sind seit langem schon vollkommen globalisiert“, erklärt Werner Zollitsch, Leiter des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit ebenfalls an der Boku in Wien. „Hier kommt es zu großen, transkontinentalen Warenströmen. Und Europa ist ein ganz starker Netto-Importeur unter anderem von Soja.“ Zollitsch findet es gut, dass es Vereine wie „Donau Soja“ gibt, die versuchen auf europäische Produkte umzustellen. Denn die Soja-Erzeugung in Argentinien, Brasilien, Uruguay und Co. habe enorme Folgen. Neben der Rodung des Regenwaldes und der Problematik der Monokulturen würde zudem Kleinbauern der Zugang zu Land verweigert, weil Großgrundbesitzer hinter der Produktion steckten, erklärt Zollitsch.

Eine zentrale Frage in dieser Debatte ist: Hat ein gentechnisch verändertes Produkt Auswirkungen auf die Gesundheit?

„Ich habe die erste GVO-Soja in den USA Ende der 1990er Jahre gesehen. Es wird also seit mindestens 20 Jahren intensiv verfüttert an alle mögliche Tiere. Wenn da etwas einigermaßen Relevantes aufgetreten wäre, dann wüsste man das. Da gibt es eine so breite Anwendung, dass man das nicht völlig unter den Teppich kehren könnte“, konstatiert der Fachmann.

Werner Zollitsch, Leiter des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Boku in Wien

Werner Zollitsch, Leiter des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Boku in Wien

Zollitsch sieht anderorts Probleme: „Wir sind von Futtermitteln im Wesentlichen aus Nord- und Südamerika abhängig. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir unsere Schweine, nicht auf der Basis unserer Ressourcen, die wir in Österreich zur Verfügung haben, halten können.“ Für Zollitsch ist „grundsätzlich zu hinterfragen, wie schlau das ist“. Denn mit der Beschaffung von hunderttausenden Tonnen Soja, „importieren wir gewaltige Mengen an Stickstoff, die wiederum dazu beitragen dass wir Nitratgehalte im Grundwasser haben, die jenseits der Verträglichkeit sind“.

„Die Eigenversorgung mit Soja ist schwierig.“
Franz Rauscher, Schweinebauer und Obmann der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf

Eine Autostunde östlich von Wien im niederösterreichischen Herzogenburg hält Franz Rauscher Schweine auf seinem Hof. 500 Stück davon sind an ein Tierwohlprogramm mit Auslauf und Stroh gekoppelt, der Rest wird noch konventionell gehalten, soll sich aber im Umbau in Richtung Tierwohl befinden.  Er zählt damit zu den größeren Schweinebauern Österreichs, die sich vor allem im Osten des Landes befinden. Hier vom Tullnerfeld aus liefert er sein Schweinefleisch an eine Erzeugergemeinschaft, die wiederum verkaufen es im ganzen Land an Schlachthöfe, welche die Gastronomie und den Einzelhandel beliefern. Rauscher spricht offen. Er fährt zwei Programme – einmal kommt gentechnikfreie Fütterung zum Einsatz. In einem separaten Stall fressen die Schweine Sojaschrot, das aus gentechnisch veränderter Pflanzenzucht stammt. Die Gründe, warum Rauscher diese zwei Märkte beackert, liegen auf der Hand. „Im besonders hochwertigen Bereich – Bio und Tierwohl – wird Gentechnikfreiheit gefordert und die Konsumenten sind bereit, diesen hohen Preis zu zahlen.“ Doch vielen Konsumenten ist das zu teuer, deswegen entscheide man sich auch für „konventionelle Schweinefütterung“, erklärt Rauscher, der auch Obmann der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf ist. Dort wird eben das billigere Gen-Soja verwendet, um die Kosten geringer zu halten.

Rund 3000 Mitglieder sind in der Genossenschaft vereint, der Rauscher vorsteht. Zusammen vermarkten sie über 60.000 Rinder und 600.000 Mastschweine, Ferkel, Schafe und Ziegen.

Ein weiterer Grund, warum in der Schweinemast importiertes Soja verfüttert wird, sei die Verfügbarkeit, erklärt der Bauer. In Österreich werde hauptsächlich Soja für den Speise-Sektor – etwa für Sojamilch – angebaut. „Die Eigenversorgung mit Soja ist schwierig.“ Europaweit müssten dann Länder wie die Ukraine dabei sein, um den Bedarf an Sojaschrot decken zu können, meint Rauscher.

Für ihn geht in der Debatte unter, dass bei den „ganzen Verarbeitungsprodukten – etwa Fertiggerichten – im Handel auch nicht unterschieden wird, ob ein Produkt gentechnikfrei ist oder nicht. Wenn man sich in Österreich dazu entscheiden würde, gentechnikfrei zu produzieren, dann müssen verarbeitete und importierte Lebensmittel dabei sein. Sonst ist es unfair und man würde die Produktion ins Ausland verlagern.“ Zwei Programme bedeuten für den Bauern auch mehr Aufwand. „Diese Doppelgleisigkeit geht nur, wenn man zwei Gebäude oder zwei eigene Fütterungen hat – sonst geht das ja gar nicht.“

Rauscher kommt immer wieder auf die Kosten zu sprechen.

„Wenn der Konsument gentechnikfreie Produkte fordert und dafür bezahlt, wäre es ja einfach. Aber das ist leider überwiegend nicht so.“
Schweinebauer Franz Rauscher, Obmann der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf

Ein Kilo gentechnikfreies Schweinefleisch kostet ihn in der Erzeugung rund 20 Cent mehr als Fleisch aus konventioneller Schweinmast. Oder: Rund 20 Euro mehr müsste Rauscher für ein Schwein bekommen, das gentechnikfreies Soja gefressen hat. Im Tierwohlbereich fallen aber noch zusätzliche Kosten an etwa für Stroh oder den Auslauf, welcher das doppelte Platzangebot pro Tier ermöglicht. „Das ist alles sehr scharf kalkuliert. Das sind Auftragsprojekte – man braucht immer den Abnehmer und den Handel dazu, um das umzusetzen. Aus Jux und Tollerei machen wir das nicht.“

Vielerorts wird Werbung für Bio- und Tierwohl-Produkte aus regionaler Landwirtschaft gemacht. Wie nimmt Rauscher das wahr – gibt es eine Tendenz in Richtung gentechnikfrei? „Jeder Lebensmittelhändler will es anbieten, weil es doch cool klingt. Die Mengen sind aber relativ bescheiden und zumeist auf den Frischfleischbereich beschränkt. Maximal zehn Prozent des Fleischsortiments ist gentechnikfrei – da ist Bio-Fleisch inkludiert. Mehr wird es glaube ich kurzfristig nicht, vor allem jetzt, wo viele wegen der Teuerung sparen müssen.“

Fotos & Videos: iStock, Shorthand, Hermann Bürstmayr, Werner Zollitsch, Serdar Sahin